So kann der negative Einfluss von künstlichem Licht auf fliegende Insekten reduziert werden

Dies ist eine überarbeitete deutschsprachige Zusammenfassung einer aktuellen Forschungsarbeit des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) von der wir kürzlich berichteten. Die englischsprachige Originalversion der Zusammenfassung ist zuerst hier erschienen.

Einleitung

Der übermäßige Einsatz von künstlichem Licht in der Nacht (englisch: artificial light at night, kurz ALAN), der zur so genannten Lichtverschmutzung führt, ist ein stetig wachsendes Umweltproblem von globaler Bedeutung. Vielfach dokumentiert sind negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und auf zahlreiche Tierarten. Außerdem steht die Lichtverschmutzung heute im Verdacht, zum Insektensterben beizutragen, was sich negativ auf die von nachtaktiven Insekten erbrachten Ökosystemleistungen auswirken kann. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Anziehungseffekt, den künstliches Licht auf fliegende Insekten haben kann. Während verschiedene Lösungsansätze für dieses Problem bereits vorgeschlagen und erprobt wurden, konzentrierten sich die beiden Forschungsprojekte, die unserer neuen Publikation zugrunde liegen, auf die Reduzierung der Lichtemissionen von Straßenbeleuchtung in den Flugbahnen der Insekten. Die Ziele unserer Forschungsprojekte waren daher, eine Straßenbeleuchtung zu entwickeln und zu testen die (A), im Bereich der Lichtquelle nahezu unsichtbar ist, und (B), einen präzise definierten und abgegrenzten Lichtbereich auf der Fahrbahn erzeugt. Auf diese Weise sollten Lichtemissionen außerhalb des Nutzungsbereichs, die potenziell Ökosysteme stören, großflächig reduziert werden (Abbildung 1).

Abbildung 1: Die ursprüngliche Idee in unseren beiden Forschungsprojekten war es, mithilfe eines neuen Leuchtendesigns überschüssiges Licht zu reduzieren. Dieses überschüssige Licht strahlt bei herkömmlicher Beleuchtung oft in Bereiche, die gar nicht beleuchtet werden müssen (links). Das sollte vor allem durch eine optimierte Geometrie des Lichtstrahls erreicht werden (rechts; Grafik von Dr. Catherine Perez Vega).

Untersuchungen in zwei Forschungsprojekten in insgesamt acht Standorten in Deutschland

Unsere Publikation basiert auf Ergebnissen aus zwei unabhängig voneinander finanzierten Forschungsprojekten: Erstens dem Projekt Artenschutz durch umweltfreundliche Beleuchtung (AuBe), das von 2019 bis 2025 läuft. In diesem Projekt beproben wir fliegende Insekten mit sogenannten Fensterfallen direkt an Straßenlaternen auf Versuchsflächen und unbeleuchteten Kontrollflächen bei Berlin (siehe Originalpublikation zum ursprünglichen Versuchsaufbau aus 2015), sowie in vier weiteren Gemeinden und Städten in der Mitte und im Nordosten Deutschlands (Abb. 2). Teil des inter- und transdisziplinären Projekts war eine Ausschreibung für Hersteller von Straßenbeleuchtung gleich zu Beginn des Projekts. In diesem Prozess arbeiteten alle – unser Team von Ökolog*innen am IGB, die lokalen Koordinator*innen an den AuBe-Standorten und die Lichtingenieur*innen der Technischen Universität Berlin – gemeinsam an einer maßgeschneiderten Lösung für das oben beschriebene Problem. Zusätzlich zu den AuBe-Standortenwurden im zweiten Projekt NaturLicht in den Jahren 2021 und 2022 drei weitere Standorte in Südwestdeutschland beprobt (Abb. 2). Zusammen genommen decken die insgesamt acht Standorte in beiden Projekten einen großen Gradienten von städtischen zu ländlichen Bedingungen ab, einschließlich einer großen Bandbreite an Hintergrund-Lichtverschmutzung, des so genannten Skyglows.

Abb. 2: Die Standorte unserer Untersuchungsflächen aus den beiden Forschungsprojekten sind durch schwarze Sterne markiert. Daten zu den Insektenfängen in der aktuellen Studie sind durch die roten Rechtecke hervorgehoben. In vier weiteren Standorten wurden die Leuchten erst ein Jahr später gewechselt und das Beproben der Insekten läuft aktuell noch. Die Farbskala der Deutschlandkarte visualisiert die Lichtverschmutzung auf Basis von Skyglow-Karten, wobei weiß bis rot die hellsten, also die am stärksten lichtverschmutzten, und blau Flächen mit annähernd natürlicher Dunkelheit in Deutschland zeigt.

Von den sechs Straßenleuchtenherstellern, die sich an unserer Ausschreibung beteiligt hatten, erhielt die Selux GmbH aus Berlin den Zuschlag. Selux war der einzige Hersteller, der die Anforderung einer gezielten Beleuchtung eines 2,5 Meter breiten Weges ohne Lichtemissionen in den angrenzenden Bereich erfüllen konnte. In Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet Lichttechnik der TU Berlin wurde daraufhin gemeinsam mit Selux eine Beleuchtungsgeometrie entwickelt, die so abgeschirmt war, dass Lichtemissionen an der Leuchte nur aus wenigen Winkeln sichtbar waren und nur der Weg möglichst gleichmäßig ausgeleuchtet wurde. Diese Leuchtenabschirmung wurde weiter an die verschiedenen Standorte mit Wegbreiten zwischen 2,5 und 6 Metern angepasst. Zusätzlich wurde die Blendung durch einen Shutter reduziert.

Weiterhin wurde die Beleuchtungsstärke auf dem Versuchsfeld des IGBs im Westhavelland an die Standortbedingungen der Kommunen angepasst. Die Beleuchtungsstärke an den ausgewählten Leuchten in den Kommunen war um den Faktor 30 geringer, als in einer konventionellen Beleuchtungssituation an einer stark befahrenen Straße. So war es möglich, die unterschiedlichen Beleuchtungsstärken von konventionellen LED-Leuchten mit dem neu entwickelten Leuchtendesign unter realitätsnahen Bedingungen zu vergleichen. Im Winter 2021/2022 waren die neuen, abgeschirmten und maßgeschneiderten Leuchten fertig entwickelt. Die Umrüstung der Versuchsflächen im Westhavelland erfolgte im Februar 2022 und an den drei NaturLicht-Standorten in Südwestdeutschland zwischen März und April 2022. An den AuBe-Standorten wurden die neuen Leuchten im Frühling bis Frühsommer 2023 umgerüstet (Abb. 2). Die Beprobung an den AuBe-Standorten wird derzeit (September 2024) fortgesetzt, um zusätzliche Daten unter verschiedenen Bedingungen zu sammeln. Diese Daten sind daher in der vorliegenden Publikation noch nicht enthalten.

Ergebnisse

Die Ergebnisse von den vier Standorten waren insgesamt sehr robust: Überall wurden nach der Umrüstung auf die abgeschirmten und angepassten Leuchten etwa halb so viele Fluginsekten an den Leuchten gezählt wie bei der konventionellen Beleuchtung (Abbn. 3 und 4). Besonders beeindruckend waren die Ergebnisse der Versuchsfläche im Westhavelland, wo wir die Fänge an den Leuchten zusätzlich mit der Dunkelkontrolle vergleichen konnten. Hier zeigte sich, dass sich die Fänge an den neuen, abgeschirmten und angepassten Leuchten nicht mehr signifikant von den Fängen an den unbeleuchteten Kontrollleuchten unterschieden (Abb. 3). Die Reduzierung der Beleuchtungsstärke allein hatte nur einen geringen Effekt auf die Anziehungskraft auf Fluginsekten. Dementsprechend können die von uns getesteten Maßnahmen für den Schutz nachtaktiver Insekten wie folgt abgestuft werden: Die beste Wirkung haben wir mit der Abschirmung der Lichtemissionen direkt am Leuchtenkopf und maßgeschneiderte Anpassung der Lichtgeometrie an den Nutzungsraum (z.B. den zu beleuchtenden Weg) erzielt. Die Reduzierung der Beleuchtungsstärke allein hingegen bringt weniger Schutz für fliegende Insekten, da das Lichtsignal nicht abgeschirmter Leuchten auch bei geringen Beleuchtungsstärken in den Flugraum der Insekten eindringen und ihr Flugverhalten beeinflussen kann. Dennoch ist eine gezielte Lichtplanung mit möglichst geringen Beleuchtungsstärken empfehlenswert, da der Beitrag zur allgemeinen Lichtverschmutzung verringert werden kann und außerhalb des Flugraums von Insekten auch viele andere Lebewesen unter nächtlicher Helligkeit leiden.

Abb. 3: Häufigkeiten der gefangenen Insekten pro Falle und pro Nacht unter den verschiedenen experimentellen Beleuchtungen auf den Experimentalfeldern im Westhavelland. Verschiedene Buchstaben über den Balken zeigen signifikant unterschiedliche Ergebnisse an, bei gleichem Buchstaben liegt kein statistisch signifikanter Unterschied vor (ermittelt mit Tukey Post-Hoc-Test).

Abb. 4: Häufigkeiten der gefangenen Insekten pro Falle und pro Nacht unter den verschiedenen experimentellen Beleuchtungen an den drei NaturLicht-Standorten in Südwestdeutschland in den Jahren 2021 (mit herkömmlicher Beleuchtung) und 2022 (mit den neu entwickelte Leuchten mit Shutter; die Signifikanzniveaus der Ergebnisse basierend auf generalisierten linearen Regressionsmodellen sind mit Sternen dargestellt: **p ≤ 0.005, ***p ≤ 0.001).

Abb. 5:  Fotografien der Beleuchtungssituation in einem der NaturLicht-Standorte (Karlsruhe) vor (A) und nach (B) der Umrüstung.

Fazit

Mit unserer Arbeit konnten wir zeigen, dass eine abgeschirmte Beleuchtung mit optimierter räumlicher Verteilung des Lichts die negativen Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf Fluginsekten am besten reduziert. Dies bedeutet, dass die Beleuchtung in Zukunft vor allem in der Nähe von Naturschutzgebieten, aber auch in nicht besonders geschützten Bereichen mit hoher Artenvielfalt, zum Beispiel an Gewässern oder Feuchtgebieten, angepasst und optimiert werden sollte. Außerdem haben die Erfahrungen aus unseren beiden Forschungsprojekten gezeigt, dass für die Umsetzung praktikabler Lösungen für das Problem der Lichtverschmutzung inter- und transdisziplinär gearbeitet werden muss. Zum einen betrifft Lichtverschmutzung viele Organismen und Ökosysteme in vielfältiger Art und Weise, zum anderen müssen viele Beteiligte und Verantwortliche eingebunden werden, wenn Lösungen gefunden und erfolgreich in die Praxis übertragen werden sollen, was in unseren transdisziplinären Forschungsprojekten gelungen ist. Trotzdem möchten wir betonen, dass technische Lösungen nur dort gebraucht werden, wo Menschen nach Sonnenuntergang aktiv sind. Auf künstliches Licht zu verzichten oder dieses nach der Nutzung abzuschalten, sollte immer die erste Option für den Umweltschutz sein. Dies dient nebenbei auch dem gesunden Schlaf der Anwohnerinnen und Anwohner.

Finanzierung

Die Finanzierung der Forschungsarbeiten erfolgte über zwei Forschungsprojekte: Artenschutz durch umweltverträgliche Beleuchtung (AuBe) wurde finanziert durch das Bundesprogramm für Biodiversität des Bundesamts für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbrauchwerschutz (BMUV; FKZ: 3518685A-H08). NaturLicht ist Bestandteil des “Sonderprogramms zur Stärkung der biologischen Vielfalt” in Baden-Württemberg und wurde finanziert durch das Regierungspräsidium Karlsruhe.

Die Originalpublikation:

Dietenberger, M., Jechow, A., Kalinkat, G., Schroer, S., Saathoff, B., Hölker, F.: Reducing the fatal attraction of nocturnal insects using tailored and shielded road lights. Communications Biology 7, 671 (2024). https://doi.org/10.1038/s42003-024-06304-4