Mögliche Ursachen für den Artenschwund – oft wird der Faktor künstliches Licht vergessen
Ausgeprägte Rückgänge der Anzahl und Artenvielfalt von Insekten wurden in den vergangenen Jahren für unterschiedliche Lebensräume in Deutschland, sowie in vielen anderen Teilen der Welt, dokumentiert. Zumeist werden der Klimawandel, Lebensraumverlust sowie die intensive Landwirtschaft mit ihrem Einsatz großer Mengen Dünge- und Pflanzenschutzmittel als Hauptgründe für das plakativ als „Insektensterben“ bezeichnete Phänomen angeführt. Ein weiterer Faktor, der in Diskussionen rund um die Insektenrückgänge regelmäßig erwähnt wird, aber bei weitem noch nicht so intensiv untersucht wurde, ist der Einfluss von übermäßigem künstlichem Licht oder „Lichtverschmutzung“ auf die Häufigkeit und Vielfalt von Insektenpopulationen.
Damit in zukünftigen Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Insektenrückgängen und zunehmender Lichtverschmutzung sowohl Lichtparameter als auch Insektendaten in einem optimiertem Zusammenspiel erfasst werden, haben wir in unserer aktuellen Veröffentlichung „Assessing long‐term effects of artificial light at night on insects: what is missing and how to get there“ die Literatur zum Thema gesichtet und Empfehlungen für wichtige Parameter in Studien zu Lichtverschmutzung und Langzeiteffekten auf Insekten zusammengestellt.
Die Auswirkungen durch Beleuchtung auf Insekten sind äußerst komplex – mehr Forschung wird dringend benötigt
Unsere Auswertungen der Literatur haben gezeigt, dass es inzwischen zwar etliche Studien gibt, die zeigen dass einzelne Arten wie zum Beispiel Leuchtkäfer („Glühwürmchen“) oder Nachtfalter unter Lichtverschmutzung leiden. Diese Studien zeigen, dass insbesondere einzelne biologische Aspekte wie das Paarungs- oder Ausbreitungsverhalten bestimmter Arten durch künstliches Licht massiv beeinträchtigt werden (z.B. Elgert et al. 2020). Studien, in denen in einem bestimmten Gebiet sowohl die Häufigkeiten als auch die Artenvielfalt von Insekten zusammen mit der Entwicklung der künstlichen Beleuchtung über einen längeren Zeitraum (mehrere Jahre oder Jahrzehnte) systematisch untersucht wurden bzw. werden, fehlen dahingegen weitgehend. Zwar gibt es einige wenige korrelative Auswertungen langjähriger Zeitreihen zu Biomasse und Häufigkeiten von Insekten bei gleichzeitig zunehmender künstlicher Beleuchtung die einen Zusammenhang nahe legen (z.B. Grubisic et al. 2018 oder van Langevelde et al. 2018), allerdings beruht die Quantifizierung des Lichts in diesen Studien vorwiegend auf Satellitendaten. Derartige Analysen von Lichtverschmutzung die über Erdbeobachtungsdaten zustande kommen können zwar für ökologische und umweltwissenschaftliche Analysen sehr hilfreich sein, allerdings sind gerade für Insekten die konkreten, kleinräumigen Beleuchtungsbedingungen und Abstrahlwinkel vor Ort, die nicht aus dem All erfasst werden können, besonders relevant.
Langzeitstudien sind wichtig
In einer kürzlich veröffentlichten Studie von van Grunsven und Kollegen (siehe dazu auch unseren Blogbeitrag vom 3. Juli 2020) mit mehrjähriger Messreihe von Nachtfaltern die unter kontrollierten Lichtbedingungen erhoben wurden, konnten niederländische Kollegen zeigen, dass man negative Auswirkungen künstlicher Beleuchtung auf Nachtfalterpopulationen erst nach mehreren Jahren messen kann. Weitere derartige Studien wären dringend nötig, um besser zu verstehen, was die längerfristigen Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf Insektenpopulationen sind. Insbesondere müsste man Insekten systematisch über mehrere Jahre beproben, um natürliche Schwankungen der Populationsgrößen berücksichtigen zu können. Gleichzeitig wäre es wichtig, dass die Erfassung und Quantifizierung von Licht im Umfeld solcher Studien an die Sinneswahrnehmung von Insekten angepasst wird, indem man etwa nicht nur das für Menschen sichtbare Licht bewertet. Viele dieser Bedingungen sind in den aktuell verfügbaren Studien rund um Insekten und Lichtverschmutzung nicht oder nur unzureichend erfüllt und wir hoffen unsere Studie kann einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Datenlage auf diesem Gebiet in den kommenden Jahren verbessert.
Die Open Access Studie ist im Fachjournal Insect Conservation and Diversity erschienen: